Die 302 Kilometer lange Etappe des Panoramaradwegs bietet die Möglichkeit Dänemark von seiner schönsten Seite kennenzulernen. Kreidefelsen, Buchenwälder, einsame Strände und beschauliche Orte machen den Radfernweg Berlin-Kopenhagen zu einem besonderen Genuss für den Radwanderer.
Tag 1: Hannover – Rostock – Gedser
Aufbruch
Arbeiten bis 12 Uhr. Schnell nach Hause, kurz vor 13 Uhr losfahren, in 3,5 Stunden bis nach Rostock düsen, um 17 Uhr die Fähre nach Gedser nehmen und danach 26 km bis nach Nykøbing radeln. So war der Plan. In der Realität verabschiedet man sich gerade von den Kollegen und dann klingelt das Telefon. Vor dem Start in den Kurzurlaub muss natürlich die Welt noch schnell gerettet werden. Außerdem hat am Abend zuvor die Disziplin beim Gepäckpacken unter dem Auftakt des Maschseefests in Hannover gelitten. So kommen wir verspätet in Rostock an und stellen überrascht fest, dass die Fähre nicht auf uns gewartet hat. Wir entscheiden uns, um 21 Uhr überzusetzen und holen das ausgefallene Mittagessen beim lokalen Vapiano nach. Dabei dürfen wir eine Flasche Grauburgunder genießen, Hennings nachträgliches Geburtstagsgeschenk.
Kurz vor 21 Uhr kommen wir am Rostocker Hafen an. Das Auto bleibt hier stehen. Zwei Stunden später, um 23 Uhr, verlassen wir im dänischen Gedser auf unseren Fahrrädern den Frachtraum der Fähre.
Ankunft in Gedser
Statt die geplanten 26 km bis Nykøbing zu radeln, geht es nur 500 Meter weiter zu unserem Schlafplatz für diese Nacht, einem Shelter. Alle Holzhütten sind besetzt. Ein freundlicher Landsmann gibt uns jedoch den Tipp, auf die angrenzende Wiese auszuweichen. Die weiteren schlafenden Camper sind ihm vermutlich unendlich dankbar. Ohne Stirnlampe errichtet sich das Zelt etwas mühsam. Schließlich schlafen wir erschöpft aber voller Vorfreude um halb eins ein.
- Fähre: 20 EUR pro Person + 5 EUR Fahrrad
- Parkplatz im Hafen: 5 EUR/Tag
- Shelter: 4 EUR/pro Person (auch in EUR zahlbar)
- GPS-Koordinaten Shelter in Gedser: 54.570414, 11.939533
- Nächstes Mal nicht vergessen: Stirnlampe
Die Shelter sind eine tolle und sehr günstige Alternative zu den großen bewirtschafteten Campingplätzen. Es handelt sich um einfache Plätze mit Toiletten und fließendem Wasser (leider kalt). Neben einer Wiese für die Zelte sind meist ein paar offene Häuschen vorhanden, die für etwa 4-6 Personen ausreichend Liegefläche bieten. Die Kosten betragen 4-6 EUR pro Person. Das Personal kommt gegen 18 Uhr vorbei, um das Geld einzusammeln. Uns blieben diese Menschen unbekannt. Falls vorhanden, haben wir die Vertrauenskassen genutzt. Eine Übersichtskarte mit den Sheltern haben wir leider nicht gefunden. Auf Google Maps, lassen sich diese Plätze allerdings über eine Suche nach „camping“ anhand der Fotos identifizieren.
Tag 2: Gedser – Nykøbing – Stubbekøbing – Bogø – Stege [Fahrzeit: 7 Std., Strecke: 105 km]
Am Morgen trödeln wir ein wenig, bepacken unsere Fahrräder und stärken uns mit den Rostocker Erdbeeren (in Hannover sind die Erdbeerstände schon seit einer Woche geschlossen). Als wir um 10 Uhr losradeln sind die anderen Camper schon längst unterwegs. Mit einer ordentlichen Portion Motivation und dem Wind im Rücken tun wir endlich das, wofür wir auf dem Radfernweg Berlin-Kopenhagen sind – wir radeln.
Der Jahrhundertsommer 2018 hat auch vor Dänemark nicht halt gemacht. Seit Wochen kein Regen und Temperaturen über 30 Grad. Die pralle Sonne hat die Farben ausgebleicht. Weizen, Roggen und Gerste sind voller schwerer Körner, die nicht abwarten können geerntet zu werden.
Frühstück in Nykøbing
Das erste Stück auf dem Radfernweg Berlin-Kopenhagen gelingt uns mit Leichtigkeit. Hungrig und durstig kommen wir nach Nykøbing. Das Zentrum umfasst tatsächlich mehrere Straßen, also eine Großstadt im Vergleich zu anderen Orten auf der Strecke! Da dänisches Gebäck einen vorzüglichen Ruf weit über die Grenzen hinaus genießt, lassen wir uns von Google zum besten ortsansässigen Bäcker führen. Der ist ausnahmsweise heute geschlossen. Wir verzichten auf die Technik und flanieren durch das quirlige Örtchen. Döner, Hot-Dog und Burgerlbräter sind reichlich vorhanden aber keine Bäckerei. Der Magen freut sich schon auf die bevorstehende Kalorienbombe am Vormittag und dann taucht doch noch in einer Seitenstraße ein Cafe auf, welches frische warme Sandwiches serviert. Gestärkt und voller Optimismus entscheiden wir, bis zum Møns Klint zu fahren (noch ca. 85 km!). Dort warten malerische Kreidefelsen à la Casper David Friedrich inklusive Luxus-Shelter mit Mittelmeer Flair.
Radfahren zum genießen
Die weiteren 30 km über die Falster-Insel bis Stubbekøbing sind sehr komfortabel. Der Radfernweg Berlin-Kopenhagen führt durch Buchenwälder, die angenehmen Schatten spenden. Hier und da gibt es Möglichkeiten in der Ostsee ein kühles Bad zu nehmen. Meistens sind es schmale steinige Strände mit sehr klarem Wasser. Kurz vor 17 Uhr kommen wir nach Stubbekøbing. Um 17.30 gibt es eine Fähre nach Bogø. In der freien Zeit lässt sich perfekt ein Eis verköstigen. Solche Kleinigkeiten machen besonderes viel Freude auf dem Radfernweg Berlin-Kopenhagen. Unser Ziel ist scheinbar schon in greifbare Nähe gerückt: kurz vor dem Hafen zeigte ein Schild 48 Km bis zum Møns Klint!
Die Retro-Fähre „Ida“ ist ein Schmuckstück. Der lässige Kapitän in kurzen Hosen vervollständigt das idyllisches Bild. Die Überfahrt von Stubbekøbing bis nach Bogø dauert etwa 30 Minuten. In beste Laune verlassen wir die Fähre und setzten uns wieder auf die Sättel. Der hintere Teil meldet sich mit leichten Schmerzen. Der Schmerz intensiviert sich jedoch bei der nächsten Kilometerangabe: 51 km bis zum Møns Klint. Komisch, das ist irgendwie mehr geworden, woher kommen diese zusätzlichen Kilometer? Die nächste Viertel Stunde beschäftige ich mich gedanklich mit dieser Frage, grübele über mein Schicksal und verabschiede mich von dem heutigen Ziel. Henning ist noch relativ zuversichtlich, dass die Angaben sich nicht auf den Radfernweg Berlin-Kopenhagen beziehen und wir doch schneller unseren Zwischenstop Stege erreichen.
Belohnung
Kilometer hin oder her, die hügelige Landschaft erstrahlt in einem warm Abendlicht und wir genießen die Aussicht. Um 20 Uhr kommen wir schließlich in Stege an. Laut Beschreibung handelt es sich um eine mittelalterliche Stadt und Handelszentrum von Møn. Die Stadt ist überschaubar, alle wichtige Anhaltspunkte befinden sich direkt am ausgeschilderten Radfernweg Berlin-Kopenhagen (Aldi, Cafes, Restaurants und eine Konditorei). Der Körper möchte den Kalorienverlust ausgleichen und dafür bietet sich ein köstliches All-You-Can-Eat Abendessen im Slagter Stig an.
Nach dem Essen sind die Beine schwer wie Blei und sie signalisieren, dass weitere 20km zu viel sind. Es wird langsam dunkel und wir geben für heute auf. Der nächstgelegene Shelter ist nur ein Pedalentritt entfernt. Die gute Lage schätzen leider nicht nur wir sondern auch 40 dänische Schulkinder. Gut, dass wir Ohropax dabei haben. Überrascht stellen wir jedoch fest, dass diese gar nicht notwendig sind. Artig schleichen alle Kinder um 23 Uhr in ihre Schlafsäcke und es ist tatsächlich Ruhe… Schlaf gut!
Der Sternenhimmeln ist fantastisch, ein paar Minuten vor dem Schlafen draußen sitzen und den Himmel beobachten ist grandios. Mit etwas Glück sieht man vielleicht eine Sternschnuppe!
- Fähre Bogø-Stubbekøbing – https://www.bogoe-stubbekoebing.dk/zeitplan, Kosten 50DKK/pro Erw+Fahrrad
- GPS-Koordinaten Shelter in Stege: 55.008333, 12.299592
- Nächstes mal nicht vergessen: Limoncello-Kerze für insektenfreien Weingenuss
- Wasser und Speisevorräte: kein Problem, man kommt immer wieder bei Geschäften vorbei
Tag 3: Stege – Møns Klint – Stege – Præstø [Fahrzeit: 7 Std., Strecke: 87 km]
Etwas routinierter bauen wir unser Lager ab und radeln zurück nach Stege. Høyers Konditor-Bager versorgt uns mit lokalen Süßigkeiten. Insbesondere die Kanelsnegl sind definitiv ein Muß. Die Zimtschnecken erinnern ein bisschen an die geliebten Hamburger Franzbrötchen. Beim Frühstück schmieden wir ambitionierte Pläne. Gestern haben wir unsere Ziel um 20 km verfehlt, dass wollen wir heute wieder einholen und Baden steht natürlich auch auf dem Programm. Wir fahren von Stege direkt nach Møns Klint. Die Strecke (ca. 20 km) ist kräftezehrend: sehr hügelig und sehr windig. 4 Km vor Møns Klint folgen wir dem ausgeschilderten Radfernweg Berlin-Kopenhagen und verlassen die kleine Straße. Nur Mountainbiker werden hier Freude haben. Der Weg führt steil bergauf und ist sehr sandig. Endlich angekommen am Møns Klint lassen wir die bepackten Fahrräder stehen und steigen hinunter ans Meer.
Erfrischung in der Ostsee
Nach zwei Tagen ohne Dusche, freuen wir uns riesig auf die Erfrischung. Die eindrucksvolle Kulisse lockt viele Touristen an. Entfernt man sich jedoch etwas von der Treppe die hinunterführt, wird es schnell ruhiger. Wir stolpern mit unseren Flip-Flops über die weißen Steine und finden schließlich einen geeigneten Platz zum schwimmen. Die Ostsee hat genau die richtige Temperatur. Das Bad ist erfrischend und es kostet kaum Überwindung ins Wasser einzutauchen. Danach trocknen wir ein bisschen auf den heißen Steinen. Wir verweilen leider nicht allzu lange, denn es liegt noch ein langer Weg vor uns.
Der Weg über die Møns Halbinsel ist unglaublich schön. Die unzähligen Felder, das funkelnde Wasser der Ostsees und der blaue Himmel lassen die Anstrengung vergessen. Nachdem wir die Halbinsel verlassen haben wird der Radfernweg Berlin-Kopenhagen etwas flacher und der Wind lässt auch nach. Wir kommen gegen 20 Uhr in Præstø an. Der örtliche Aldi ist zum Glück noch offen und wir füllen die Wasservorräte auf. Das Kaktus Restaurant bietet italientische und mexikanische Speisen auf einem ruhigen Hinterhof an. Für die Nachtruhe wählen wir einen Shelter rund fünf Kilometer vor
Præstø aus. Dort zelten zwei Familien. Die offenen Holzhütten sind noch unbesetzt. Es gibt keine Mücken und wir wagen es, ohne Zelt zu schlafen.
- GPS-Koordinaten Shelter in Præstø: 55.133286, 12.011993
- Nächstes mal besser machen: früher aufstehen für mehr Zeit am Strand
Tag 4: Præstø – Rødvig – Køge – Kopenhagen [Fahrzeit: 9 Std., Strecke: 137 km]
Hurr-rra! Diesen Morgen sind wir sehr früh auf den Beinen, schließlich fängt der Frühe Vogel den Kanelsnegl. Endspurt ist angesagt. Wir radeln kurz vor acht Uhr los und um 10 Uhr sind wir schon über 40 km gefahren bis nach Rødvig. Der idyllische Ort liegt direkt am Meer. Da Cafes und Restaurants noch geschlossen sind, suchen wir den Lebensmitteldiscounter auf. Glücklicherweise haben in Dänemark die Geschäfte auch Sonntags geöffnet. Es gibt sogar warmes Gebäck. Einziger Wermutstropfen: die Kaffemaschine ist kaputt…. Im Rødvig Kro & Badehotel hat man Mitleid und verkauft uns einen Kaffee-To-Go für 25 DKK. Wir finden einen Picknicktisch mit herrlichem Blick auf das Meer. Viel mehr braucht es nicht um glücklich zu sein… Nach dem Frühstück und einer Fotosession auf dem malerischen Pier verabschieden wir uns von Rødvig.
Gegenwind
Die Fahrtrichtung ändert sich ein wenig, sodass wir nun einen starken Gegenwind zu spüren bekommen. Durchhalten! Viele Menschen am Straßenrand unterstützen uns dabei, indem sie uns begrüßen und anfeuern. Das Rätsel klär sich auf, als ein Polizei-Konvoi überholt und darüber informiert, dass wir uns auf einige hundert Rennradfahrer einstellen sollen. Die Sportler motivieren uns und wir kommen um 15 Uhr nach Køge. Auf dem Marktplatz gönnen wir uns einen vorzüglichen Käsekuchen bei einer Tasse Tee. Dabei fällt die Entscheidung, bis zum Ende des Radwegs nach Kopenhagen zu fahren. Um die Entscheidung in Stein zu meißeln, buchen wir ein nicht-stornierbares Hotel. Wir prüfen nochmal die Windrichtung und Streckenführung.
Auf Irrwegen
Kurz nach Køge sollte der Wind wieder günstiger wehen. Gerade sind wir wieder in Schwung gekommen, erwartet uns eine böse Überraschung. Ein Bahnübergang ist gesperrt. Der Arbeiter und eine Busfahrerin lassen uns wissen, dass es keine Möglichkeit zur Querung gibt und wir nach Køge zurückkehren müssen. Das würde 20 zusätzlich Kilometer bedeuten. Wir sind am Boden zerstört und überlegen mit dem Zug nach Kopenhagen zu fahren. Nochmals schauen wir genau auf die Karte. Einen letzten Hoffnungsschimmer gibt es noch. Wir fahren ein Stück parallel zur Bahnlinie und finden tatsächlich eine Unterführung, die uns direkt auf die andere Seite bringt. So haben wir doch noch die drohende Niederlage abwenden können. Wir fragen entgegenkommende Radfahrer, ob die weitere Strecke frei ist. Alles in Ordnung! Warum wussten die Menschen an dem Übergang nichts von dieser Alternative und wollten uns zurück nach Køge schicken? Es wird für immer ein Rätsel bleiben…
Überglücklich radeln wir weiter. Der Wind pustet uns in Richtung Kopenhagen. Wir fahren durch die schmucken Vororte. Beschauliche Häfen und kleine Sandbuchten laden zum Verweilen ein. Schade, dass wir nicht noch einen Tag mehr haben. Jetzt kann uns nichts mehr stoppen. Wir machen dennoch eine kleine Pause und stoßen mit dem übrigen Wein auf den bisherigen Erfolg an. Wir versuchen uns vorzustellen, wie wäre es hier zu leben. Das Meer direkt vor der Tür ist schon grandios.
Kopenhagen
Um 23 Uhr gelangen wir ans Ziel, dem Rathausplatz in Kopenhagen. Überglücklich! Nach den ersten beiden Tagen auf dem Radfernweg Berlin-Kopenhagen waren wir uns nicht ganz sicher, dass der Plan aufgehen wird. Umso stolzer sind wir nun, dass es doch geklappt hat.
Wir freuen uns darauf, die Stadt am kommenden Tag zu erkunden. Aber jetzt ist es am allerwichtigsten, erstmal eine heiße Dusche im Hotel zu genießen. Die einfachsten Dinge können manchmal so viel Freude bereiten.
P.S. Kopenhagen widmen wir uns in einem separaten Beitrag. Der Weg zurück nach Rostock war unproblematisch. Wir sind mit dem Zug (2 Stunden) nach Nykøbing gefahren, weiter mit den Fahrräder im Bus bis nach Gedser (45 Minuten) und mit dem Fähre (2 Stunden) nach Rostock.
Offizielle Website Radfernweg Berlin-Kopenhagen: http://www.bike-berlin-copenhagen.com/de